Gereifte Weine und hohe Trinkkultur

Leider werden täglich unabsichtlich viele Morde begangen, und zwar an Weinen, die viel zu jung getrunken werden. Voreilig entkorkt werden nicht nur rote, sondern auch weisse Gewächse. Das gilt bedauerlicherweise auch für die zypriotischen Weine. Wer diese jetzt einfach so wegtrinkt, ist als Täter freilich sein eigenes Opfer. Er beraubt sich so des Genusses, den ihm diese Weine, ausgereift, bieten würden. Bei älteren Weinen hat sich alles Laute und Raue ins Feine und Geschmeidige gerundet, der Duft ist nuancierter, der Geschmack reicher. Das ist die Wandlung vom ungeschliffenen Edelstein zum brillanten Solitär.

Selbstverständlich gibt es auch Situationen, in denen man einen Wein jung trinken kann. Nach einer Bergtour, einem Tennismatch oder wenn die Sommersonne die Terrasse wärmt, wirkt die Frische und die schöne Primärfrucht eines edlen Tropfens belebend. Ja, man goutiert dann mitunter sogar die harsche Säure, die kernigen Tannine oder den aggressiven Alkohol eines noch jungen Weines. Und natürlich ist es spannend, den Werdegang eines solchen Gewächses zu verfolgen.

Zwar gleicht es immer wieder einem Abenteuer, ältere Weine zu trinken. Die bange Frage vor dem ersten Schluck lautet, ob denn dieser noch schmecken wird und vor allem: wie? Bei Raritäten spürt man dann die berühmten Schmetterlinge im Bauch. Aber auch sozusagen normale Kreszenzen aus älterer Zeit  lösen einen Kitzel aus.

Versuchen Sie doch einmal einen komplexen, gereiften zypriotischen Wein zu einem richtig guten Essen oder bei einem besonderen Anlass. Ein solcher Tropfen ist ein seltenes Vergnügen und ein Erlebnis für anspruchsvolle Weinmomente.

Leider ist es heute nicht mehr Mode, Weine zu lagern und erst Jahre später zu geniessen. Legen Sie trotz allem einmal einige Flaschen in den Keller und vergessen diese für ein paar Jahre oder probieren Sie einen älteren Wein, den die Weinhandlung Paphos-Weine GmbH noch im Sortiment hat (oder fragen Sie ungeniert nach, was an gereiften Weinen noch im Keller schlummert.). Sie werden überrascht sein, wie viel Spass diese “alten Säfte” noch machen. Lesen Sie dazu auf der Website auch unseren Bericht, spezifisch über gereifte zypriotische Gewächse.

Andi Spichtig, 12. Februar 2017

P.S. Die Weine aus der roten Rarität Maratheftiko können gut 8-12 Jahre reifen; der Private Selection 2011 von Vlassides gut 15 Jahre. Auch die besten Weissweine entwickeln ein spannendes Aromenspektrum nach 4-6 Jahren.

 

 

 

Commandaria – der älteste süsse Markenwein der Welt

Commandaria ist nicht nur eine aus 14 Dörfern bestehende, rund 30 km nördlich von Limassol in den südlichen Ausläufern des Troodos-Gebirges entfernt gelegene Weinbauregion der Mittelmeerinsel Zypern, sondern auch der Markenname des ältesten, bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. erwähnten Süssweines der Welt. “A legendary wine”, so schreibt das renommierte Wirtschaftsmagazin Forbes im Januar 2017. – Ausschliesslich in der Gegend mit der ersten garantierten Ursprungsbezeichnung OEOP (AOC) darf dieser Markenwein  Commandaria produziert und so genannt werden. Er wird von lokalen Winzern aus den 14 Dörfern und von einigen grossen Kellereigenossenschaften hergestellt.

Ausschliesslich zwei autochthone, wurzelechte und als Buschreben gepflegte Traubensorten sind zugelassen: einerseits die weisse Xynisteri und andererseits die rote Mavro. Verboten ist zudem das Wässern der Reben und vorgeschrieben ist eine strenge Ertragsbeschränkung von 17 Hektoliter Wein pro Hektare. Die Reben befinden sich auf einem steinigen und kargen Untergrund auf einer Höhe von 600 bis 900 m ü.M.

Schon vor der Ernte trocknen die Trauben am Rebstock zwischen 45-60 Tage lang an der Sonne. Bei der Lese müssen sie sehr hohe Zuckergrade, mind. 230 g pro Liter, enthalten und werden dann zusätzlich noch auf Strohmatten bis zu zwei Wochen getrocknet. So steigt der Zuckergehalt auf über 400 g. Die Trauben werden getrennt gepresst und vergoren in Edelstahl-Gärtanks. Nach der etwa vier Monate dauernden Gärzeit werden die Jungweine verschnitten, mit Weingeist auf 15-20 Volumenprozent aufgespritet und in grossen Eichenfässern ausgebaut. Ganz selten wird noch das spanische Solera-Prinzip angewendet. – Commandaria-Weine weisen per Gesetz einen Alkoholgehalt von nicht mehr als 15% auf.

Gelagert werden die Weine mindestens zwei Jahre lang in Barriques. Es gibt Commandarias, die über 40 Jahre in diesen Fässern schlummern, sich dabei durch Verdunstung immer stärker konzentrieren und dementsprechend rar sind. Neuerdings lassen einige innovative Kellereien wie Tsiakkas, Kyperounda und Zambartas die Aufspritung weg, was zu wunderbaren Süssweinen mit etwa 13 Volumenprozenten führt.

Der Commandaria ist ein eigenwilliger, eigenständiger, einzigartiger, komplexer und grosser Süssweein, der nicht einfach mit anderen Produkten verglichen werden kann. Er kann offen und gekühlt problemlos lange aufbewahrt werden und verdient mit seinen wunderbaren, vielfältigen Aromen unbedingt unsere Beachtung.

Andi Spichtig, 23. Jan. 2017

  • Der exklusive Commandaria Centurion 2000 AOC (Produktion: 7000 Fl.) erhielt von René Gabriel und von vinifera-mundi: je 19/20 P. (97/100 P.).
  • Der Tsiakkas: Koumandaria 2008 AOC erhielt von Robert Parker, wine advocate, 94/100 P.
  • Der Commandaria St. Nicholas 2011 AOC erhielt von vinifera-mundi 18.5/20 P.
  • Der seltene Commandaria Centurion 1991 AOC erhielt von Vinum 18/20 P.